Interview mit Hans Schneckenburger

Wann und wie hast du das Fotografieren für dich entdeckt?

Lange bevor ich mit der Fotografie begann, haben mich Bilder begeistert. Meine Eltern hatten «Die Weltrundschau» abonniert. Bildbände zu den Themen Politik, Kultur, Sport, Gesellschaft. In diesen Büchern habe ich als Kind stundenlang geblättert und gedacht: «Das möchte ich auch können». Allerdings war ich damals zu faul, wie öfters auch in der Schule: Ich habe mir nicht die Mühe genommen, mir die Technik der Fotografie verständlich zu machen und habe einfach geknipst.

 

Wann ist die Arbeit mit der Kamera zu einer Leidenschaft, wann zu deinem Zweitberuf geworden?

Relativ spät, ich war so Mitte 40. Da habe ich mich reingekniet und wollte das Fotografieren autodidaktisch lernen. Einerseits habe ich dies anhand eines Buches von National Geographic getan, andererseits habe ich Bilder von berühmten Fotografen betrachtet, studiert, analysiert. Das mache ich heute noch so. 2006 für die Produktion «Versenkt» bin ich über meinen Bruder Jürg zum jugendclub momoll theater gekommen. Und bin nun seit 18 Jahren mit dabei.

 

Früher hast du dich hauptsächlich mit Naturfotografie beschäftigt, mit dem jugendclub theater bist du zur Menschenfotografie gekommen. Was war grundsätzlich neu für dich?

In der Natur bin ich alleine unterwegs, habe Zeit, ein Bild zu komponieren. Wenn dir plötzlich ein Mensch gegenübersteht, den du fotografieren möchtest, geht es nicht ohne Kommunikation. Vertrauen schaffen zum Gegenüber und das Gespräch mit den Menschen ist für mich das Wichtigste. Ich erkläre den Spielenden vorgängig, was ich machen möchte und dass ich mit der Kamera nahe zu ihnen komme. Einigen fällt es erstaunlich leicht, vor der Kamera zu stehen, sie können dem Fotografen alles anbieten. Anderen fällt es schwerer, sie fühlen sich unwohl. Es ist jedes Mal von neuem eine schöne Herausforderung.

 

Magst du dich noch an dein erstes Shooting erinnern?

Sehr gut. Ich bin bei «Versenkt» in die schwarze «Fass-Box» gekommen, mit den Scheinwerfern, den harten Kontrasten und der spärlichen Beleuchtung. Ich hatte Respekt, gar etwas Angst, wusste nicht, wie ich aufgenommen werde. Vermutlich war ich nervöser als die jungen Menschen. Selbst heute gibt es für mich beim Fotografieren von Menschen noch immer diese leichte Nervosität. Das ist nicht schlecht, so.

 

Welches waren und sind die spezifischen Herausforderungen beim Fotografieren auf Theaterproben?

Im Fasskeller und im Proberaum Cardinal war es immer ein Kampf mit dem Licht. Diese «Blackbox». Das war ein grosser Lernprozess. Der rasante Fortschritt in der digitalen Kameratechnik war eine grosse Hilfe. Es ist unglaublich, was die heutigen Kameras unter schlechten Lichtbedingungen leisten können. Zu Beginn fotografierte ich die Spielenden eher aus Distanz. Irgendwann habe ich gespürt: Ich muss näher ran! Ich wollte die Gesichter aus der Nähe fotografieren und zugleich den Spielenden nicht in die Quere kommen. Ich bin dankbar, haben mir die jungen Menschen diese Nähe gewährt. Meine Begeisterung für Menschenbilder ist dort am grössten, wo ich nahe dran war.

 

Welches waren die wichtigsten Lernaufgaben, die entscheidenden Lernschritte?

Gelernt habe ich, dass du beim Fotografieren im Theater kaum Zeit hast, Veränderungen an der Kamera vorzunehmen. Ich fotografiere mittlerweile mit offener Blende und stelle die Kamera auf den kontinuierlichen Autofokus, der fortlaufend scharf stellt. Ich fotografiere allerdings nie «im Serienfeuer». Ich drücke noch jedes Mal bewusst ab. Ich arbeite mit der Distanz und der Perspektive und gehe auf Augenhöhe, ändere nicht viel an den Kameraeinstellungen. Der erste Blick geht immer auf die Augen, ich möchte den Fokus auf den Augen haben. Ich habe schaurig viel gelernt. Dafür bin ich dankbar.

 

Was interessiert dich an der Menschenfotografie?

Ein Foto ist eine Momentaufnahme von einer Person, ein Augenblick, der so nie mehr wiederkommt. Diesen Augenblicke einzufangen und für immer festzufrieren, das finde ich etwas wahnsinnig Schönes.

 

Wann bist du zufrieden mit deiner Arbeit?

Das Schönste für mich ist, wenn ich spüre, dass die fotografierten Menschen mit den Bildern glücklich sind. Eigentlich fotografiere ich gerne Menschen, weil das für mich eine Möglichkeit ist, ihnen eine Freude zu bereiten. Das papierene Faltprogramm beim jugendclub momoll theater schätze ich ungemein. Ich beobachte jeweils die Leute, wie sie die Bilder anschauen, das macht mich glücklich.

 

Gibt es ein Erlebnis, welches dir noch in besonderer Erinnerung ist?

Beim Stück «Undine» habe ich den Vorschlag gemacht, die Porträts der Spielenden im KSS-Hallenbad unter Wasser zu knipsen, durch ein Sichtfenster. Es war nicht ganz einfach, die Fenster waren hoch über dem Boden. Ich musste auf eine Erhöhung stehen und hatte dies so zuvor noch nie gemacht. Das war schön und hat tolle Bilder gegeben!

 

Gibt es Lieblingsbilder? Wann und warum wird eine Aufnahme zu einem Lieblingsbild?

Da muss ich lange nachdenken. Es gibt Bilder – nicht von mir – die ich immer wieder anschaue und die mich stets aufs Neue berühren. Von meinen eigenen Bildern mag ich besonders die Bilder von meinen Enkelkindern, diese Familienbilder berühren mich. Ein Bild wird für mich zu einem Lieblingsbild, wenn es immer wieder aufs Neue Emotionen auszulösen vermag.

 

Wie unterscheidet für dich die Arbeit für den jugendclub momoll theater von anderen Aufträgen?

Ich glaube, die Arbeit beim jugendclub momoll theater hat für mich viel mit meinem Bruder Jürg zu tun. Das Schöne war: Er hat mir beim Fotografieren nie reingeredet. Ich konnte mich voll entfalten. Aufgrund der Informationen über das Stück habe ich mir die Fotokompositionen ausgedacht und Ideen eingebracht. Stets hatte ich das gute Gefühl, Teil der Produktion zu sein. Auf einer Hochzeitsfeier beispielsweise ist es eher geschäftlich, beim jugendclub momoll theater ist es zu einer Herzensangelegenheit geworden. Ich durfte unzählige wunderbare Menschen kennenlernen.

 

Das Gespräch mit Hans Schneckenburger haben Céline Schmalfuss und Finn Spörndli im September 2024 geführt.

 

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